Rund 750.000 Gäste, 80.000 Sportlerinnen und Sportler sowie 4.000 Helfende machen Leipzig vom 28. Mai bis 1. Juni 2025 zur Hauptstadt des Turnens. Das Internationale Deutsche Turnfest gilt als die größte Sportveranstaltung des Jahres weltweit. Für Leipzig ist es bereits das 13. Mal, dass sie Gastgeberin eines solchen Festes ist – so oft wie keine andere Stadt. Die langjährige Erfahrung spiegelt sich in der umfangreichen Vorbereitung und der besonderen Rolle wider, die Leipzig in der Turngeschichte Deutschlands spielt.
Inhaltsverzeichnis:
- Erste Austragung 1863 erinnert an Napoleon-Niederlage bei Leipzig
- Leipzigs Boomjahre: Turnhallen, Fußballclubs und erste Radrennbahn
- Nationalistische Symbolik beim Turnfest 1913
- DDR-Ära: Massenchoreografie im Zentralstadion
- Leipzig 2002 und die Rückkehr des Turnfestes
Erste Austragung 1863 erinnert an Napoleon-Niederlage bei Leipzig
Bereits 1863 richtete Leipzig ihr erstes Turnfest aus. Eine Kopie der damaligen Bekanntmachung ist im Stadtgeschichtlichen Museum ausgestellt. Dieses Datum ist nicht zufällig gewählt worden: 1863 jährte sich die Völkerschlacht bei Leipzig zum 50. Mal, in der Napoleon eine entscheidende Niederlage erlitt. Damals standen politische Botschaften im Vordergrund. Die Einigkeit der deutschen Länder wurde symbolisch durch die körperliche Stärke der Turner demonstriert – als Ausdruck nationaler Einheit am Vorabend der sogenannten Einigungskriege.
Der für Sportgeschichte zuständige Museologe Dietmar Schulze sieht in der Festvergabe auch ein Zeichen des wachsenden Selbstbewusstseins der deutschen Turnbewegung. Damals wie heute war das Turnfest nicht nur Sport, sondern auch Ausdruck gesellschaftlicher Strömungen.
Leipzigs Boomjahre: Turnhallen, Fußballclubs und erste Radrennbahn
In den folgenden Jahrzehnten entwickelte sich Leipzig zu einem Zentrum des Sports. Die Industrialisierung führte zu starkem Bevölkerungswachstum. Neue Sportvereine entstanden. 1882 wurde im Zoo Leipzig die erste Radrennbahn gebaut. Sportanlagen wuchsen schnell – privat errichtete Plätze wurden an Vereine vermietet.
1893 wurde mit dem Verein Lipsia einer der ersten Fußballclubs gegründet. Im gleichen Jahr folgten die Sportbrüder Leipzig, die später mit dem VfB Leipzig fusionierten. 1900 wurde in Leipzig schließlich der Deutsche Fußballbund gegründet – ein Meilenstein für den deutschen Fußball.
Nationalistische Symbolik beim Turnfest 1913
1913 kehrte das Turnfest nach Leipzig zurück. Die Veranstaltung war stark vom Zeitgeist geprägt. Der Nationalismus spiegelte sich in Programmen und Symbolen wider. Erstmals wurde Militär-Turnen offiziell Teil des Programms. Ein Plakat aus jener Zeit zeigt einen muskulösen Athleten, der einen Felsbrocken in den Himmel schleudert – ein deutliches Zeichen für den heroischen Körperkult.
Im Jahr 1922 nahmen zum ersten Mal auch Frauen aktiv am Turnfest teil. Reigenfahren, Kunstradfahren und sogar sogenanntes „Nacktturnen“ standen auf dem Programm – letzteres jedoch in Badebekleidung. Der neue Fokus lag auf weniger militärischen und stärker künstlerischen Disziplinen.
DDR-Ära: Massenchoreografie im Zentralstadion
In der DDR-Zeit wurde das Turnfest zum staatlich inszenierten Großereignis. 1956 fand es erstmals im neu errichteten Zentralstadion statt, das Platz für 100.000 Zuschauer bot. Das Stadion war ein Prestigeprojekt, dessen Bau in nur 18 Monaten abgeschlossen wurde.
Turn- und Sportfeste waren zentrale Bühnen der sozialistischen Selbstdarstellung. Mit Massenchoreografien, Parolen und perfekter Organisation sollten sie die Stärke der Arbeiter- und Bauernmacht zeigen. Die letzte DDR-Veranstaltung fand 1987 statt, als das politische System bereits erste Risse zeigte.
Leipzig 2002 und die Rückkehr des Turnfestes
2002 richtete Leipzig erstmals nach der Wiedervereinigung wieder ein Turnfest aus. Im Mittelpunkt standen sportliche Wettbewerbe, Vorführungen und Shows. Die Stadt wollte sich als mögliche Olympiabewerberin positionieren. Trotz Schwierigkeiten durch die Insolvenz eines Bauunternehmens und die damit verbundene unfertige Stadionbaustelle gelang eine beeindruckende Abschlussgala.
Die diesjährige Ausgabe 2025 steht unter dem Motto „Leipzig verbindet“. Sie bringt historische Tradition, moderne Sportarten und internationale Gäste zusammen. Die Stadt nutzt ihre bewährte Infrastruktur und ihre Geschichte, um ein Fest der Begegnung und Bewegung zu schaffen. Mit 750.000 erwarteten Besucherinnen und Besuchern setzt das Turnfest erneut Maßstäbe – sportlich, organisatorisch und kulturell.
Quelle: MDR